Vom Schreibmaschinenkurs in der schule zum online blindtippen lernen
Ich werde oft gefragt: «Wie sind Sie eigentlich darauf gekommen, so einen Online-Tippkurs für Kinder zu entwickeln?» Das ist eine lange aber sehr unterhaltsame Geschichte…
Romer van Bavel, Direktor TopiaTeam
1980: Kofferschreibmaschine und Commodore 64
Während meiner Ausbildung zum Lehrer für Deutsch und Englisch, half ich 1980 meinem Vater, der Tippkurse für Kinder und Jugendliche anbot. Der Tippkurs bestand damals aus dem trockenen Abtippen von Übungen aus einem Buch, also nicht wirklich inspirierend.
Ich dachte mir, das müsste doch auch anders gehen, also programmierte ich zusammen mit meinem Bruder das erste Unterrichtssystem auf einem Commodore 64, um die Übungen meines Vaters etwas attraktiver zu gestalten. Ein Erfolg auf ganzer Linie, sowohl in Utrecht, Amsterdam und auch Leiden.
Ich half meinem Vater auch weiterhin bei seinem Unterricht. Die Teilnehmer arbeiteten damals auf einfachen Kofferschreibmaschinen. Die Unterrichtsräume der Schülerkurse verfügten über grundsolide elektrische Büroschreibmaschinen.
1990: Elektrische Schreibmaschine
Die Tippkurse an der Schule wurden auf elektrischen Schreibmaschinen gegeben, was aber auch weiterhin bedeutete, dass die ganzen Tipparbeiten Stück für Stück per Hand kontrolliert werden mussten. Also sehr viel Arbeit und zudem langweilig.
1995: Laptops
Mit dem Aufkommen von Laptops eröffnete sich die Möglichkeit, das Kontrollieren des Kinder-Tippkurses zu automatisieren. Mark, ein Freund von mir, der künstliche Intelligenz studierte, half mir, diesen Schritt zu realisieren. So entstand die Basis des neuen Unterrichtsystems. «Beide kleinen Finger interaktiv» (frei übersetzt aus dem Niederländischen) war geboren.
Der Einfluss dieser Entwicklung war wirklich atemberaubend. Die Zeitersparnis war enorm, denn das Programm konnte die Texte automatisch korrigieren. Das war aber nur der Anfang. Man konnte bei jedem Teilnehmer individuell feststellen, welche Buchstaben am meisten Schwierigkeiten bereiteten. Auf diese Weise konnte ein zielgerichtetes Training angeboten werden, mit dem diese Problembuchstaben zusätzlich geübt wurden. Das Ganze ging so weit, dass wir einen Algorithmus entwickelten, mit dem beurteilt werden konnte, ob ein Teilnehmer wirklich blind tippte oder nicht.
Die Kinder brachten ihre 3,5 Zoll Disketten mit ihren Übungsergebnissen von Zuhause mit. Beim Lesen der Disketten bestand aber immer das Risiko der Verbreitung von Computerviren.
Das neue Programm ermöglichte es uns, nur einmal in 14 Tagen Unterricht geben zu müssen anstelle von wöchentlich, wodurch wir den Kurs doppelt so vielen Teilnehmern anbieten konnten.
2000: Erster Schritt Richtung Internet
Um das Virenrisiko einzugrenzen, wurde die 3,5 Zoll Diskette gegen eine direkte Kommunikation mit unserem Server eingetauscht. Heute ist das ein Kinderspiel, damals jedoch war so etwas eine komplizierte Angelegenheit. Wir verwendeten noch immer die Software, deren Urheberrechte bei Mark lagen, darum wurde es Zeit, noch einmal ganz von vorne zu beginnen, und zwar mit der modernen Technik, die damals zu 100% akzeptiert war: Flash.
2007: Erste Version TypeTopia
Als erstes mussten wir eine wichtige Entscheidung treffen. Wenn wir über das Internet arbeiten wollten, mussten wir uns auch zu 100% auf diesen Weg konzentrieren. Darum trennten wir uns von den Schulen, mit denen wir jahrelang zusammengearbeitet hatten.
Die spielerische Umgebung und die Geschichte, in die die Übungen eingebettet waren, wurde ein großer Erfolg. Und Wachstum war auch kein Problem, denn einen Server kann man sehr einfach erweitern, wenn nötig.
Das Anwerben von Grundschulen über Vertreter verlief eher zäh, darum wagten wir einen anderen Schritt…
2010: Erste TV-Werbung in Jugendprogramm
Was dann geschah, war unbeschreiblich. Die Websitebesucherzahlen explodierten, aber das war noch nicht alles. Unsere Tippkurs für Kinder, TypeTopia, wurde zum echten Renner.
Der Kurs wurde daraufhin ins Englische und Deutsche übersetzt. In Köln haben wir damals direkt den Digita Award gewonnen und im Jahr darauf den Comeniuspreis in Berlin.
2015: Flash wurde nicht mehr unterstützt
Es wurde Zeit für ein Update. Und wenn man schon alles neu bauen muss, dann gleich richtig gut. Mit Hilfe eines Creative Producers, Unity-Programmierern, Artists und Ruby on Rails-Programmierern wurde der gesamte Kurs neu aufgebaut, mit einer Technik, die auf Jahre Bestand haben wird.
Mit dem gleichen 14-köpfigen Team wird auch TopiaTrainer programmiert, ein adaptives Trainingsprogramm für 9-12 Jährige, mit dem das Rechnen, Sprache und die Lernfähigkeiten trainiert werden können. Das Programm umfasst über 80.000 Fragen, die in Niveaus untergliedert sind, damit der Teilnehmer immer weiter stimuliert wird, den nächsten Schritt zu schaffen.
2017: Neue Version von TypeTopia fertiggestellt
Bei der Planung der neuen Version wurde von Anfang an die Mehrsprachigkeit und die sich daraus ergebenden unterschiedlichen Tastatur-Layouts berücksichtigt. Der Kurs ist jetzt recht leicht um weitere Sprachen erweiterbar. Momentan gibt es TypeTopia auf Niederländisch, Flämisch, Deutsch (mit Schweizerdeutschen Tastaturvariante), Englisch, Spanisch und in Kürze auch auf Katalanisch.
Dank des flexiblen Editors ist der Kurs auch nicht mehr nur für Kinder geeignet. In den Niederlanden ist die die Erwachsenen-Version bereits online, ebenso eine Version für Jugendliche ab 13 Jahren. Es gibt sogar eine Version für Sehbehinderte, die speziell für die Stiftung Bartimeus und Visio entwickelt wurde.
2021: Neue Website und TypeTopia-Versionen für Jugendliche und Erwachsene
Mit unserem Team von Online-Marketingspezialisten haben wir unsere Website weiter optimalisiert. Die Website bietet nun sowohl für Kinder als auch deren Eltern noch deutlichere Informationen, wie unsere Methode funktioniert. Kinder haben jetzt sogar ihre eigene Seite mit Beurteilungen von Altersgenossen, auf der sie zudem tolle Games spielen können. Demnächst wird es auch auf Deutsch die Kursversionen für Erwachsene und Jugendliche geben, damit auch diese Altersgruppen zusammen mit den Kindern das echte Blindtippen erlernen können.
Obwohl ich immer gesagt habe, dass ich nicht mein ganzes Leben lang Tipplehrer bleiben wolle, scheint es nun doch darauf hinauszulaufen. In den letzten Jahren haben sich Tippkurse für Kinder aber auch stark gewandelt.
Romer van Bavel, Direktor TopiaTeam